Die langfristige Archivierung digitaler Daten ist mit erheblichen Kosten verbunden, weshalb grundsätzlich nicht alle Informationen archiviert werden können. Die Entscheidung darüber, welche Daten aufbewahrt werden sollen, bezeichnet man als Bestimmung der Archivwürdigkeit. Diese erfolgt sowohl vor Beginn der digitalen Langzeitarchivierung als auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist.
Die Bestimmung der Archivwürdigkeit stellt einen entscheidenden Schritt in der digitalen Langzeitarchivierung dar und liegt in der Regel in der Verantwortung von Archivaren. Dabei erfolgt die Beurteilung anhand nachvollziehbarer Kriterien, die von Archiv zu Archiv variieren können. Archivwürdigkeit wird sowohl durch Gesetze als auch durch vertragliche Vereinbarungen geregelt, wie beispielsweise die Pflichtablieferung von Medienwerken an Landesbibliotheken in Deutschland.
Generell gilt der Grundsatz, dass Materialien archivwürdig sind, wenn sie einen zeitlosen, bleibenden Wert für die Gesellschaft besitzen. Dieser „bleibende Wert“ wird durch Merkmale wie historischen Wert, Einzigartigkeit, Authentizität (d. h. die Unverändertheit von Informationen), Forschungspotenzial und Relevanz für die Institution bestimmt (Kommission Archäologie und Informationssysteme im Verband der Landesarchäologen Deutschlands, 2017). Die Bewertung berücksichtigt auch die wissenschaftliche Qualität gemäß DFG-Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (d. h. Originalität, Innovationshöhe und Beitrag zum Erkenntnisfortschritt, Einzigartigkeit, wissenschaftliche Relevanz sowie Verständlichkeit) sowie ökologische Aspekte der Langzeitarchivierung (z. B. der Energie- und Ressourcenverbrauch durch Austausch obsoleter Speichermedien, den Rechenzentren bei der Speicherung und Verarbeitung archivierter Daten benötigen).
Ausschlusskriterien für die Archivierung sind in der Regel nicht abgeschlossene Projektdaten, Duplikate, unbeschriebene Daten und hochspezialisierte Formate mit technisch eng begrenzter Nutzbarkeit. (Kommission Archäologie und Informationssysteme im Verband der Landesarchäologen Deutschlands, 2017)
Die Herausforderung besteht darin, eine eindeutige Bewertung der Archivwürdigkeit vorzunehmen, da sogar scheinbar irrelevante Daten möglicherweise erst nach vielen Jahren ihre Bedeutung zeigen können, wie folgendes Beispiel zeigt:
Fallbeispiel: Archivwürdigkeit alter Seefahrtslogbücher
Im Reclaim-Projekt der U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration werden Logbücher von Schiffen digitalisiert (ähnlich wie in der Abbildung oben). Solche Logbücher enthalten u. a. auch diverse Wetterbeobachtungen. Die Sammlung und Digitalisierung historischer Logbücher ist heute interessant für die Klimaforschung. Aus ihnen können viele historische Daten entnommen werden, mit denen man Klimamodelle nachrechnen, validieren und genauer in die Zukunft extrapolieren kann. Logbücher müssen auch heute noch geführt werden. Sie enthalten eine Dokumentation der täglichen Ereignisse während einer Reise und können z. B. bei Rechtsstreitigkeiten wichtige Beweismittel sein. Heutzutage gilt, dass Seetagebücher nach der letzten Eintragung mindestens drei Jahre lang aufbewahrt werden müssen.
Referenz:
Wilkinson, Clive / Woodruff, Scott D. / Brohan, Philip / Claesson, Stefan / Freeman, Eric / Koek, Frits / Lubker, Sandra J. / Marzin, Catherine / Wheeler, Dennis: "Recovery of logbooks and international marine data: the RECLAIM project", in: International Journal of Climatology, 31(7), 2011, S. 968–979. https://doi.org/10.1002/joc.2102
Zur Archivwürdigkeit:
Zum ökologischen Fußabdruck der Digital Humanities-Forschungsaktivität: