Um ein urheberrechtlich geschütztes Werk verwenden zu können, ist daher grundsätzlich erforderlich, dass eine Lizenz eingeräumt wird, sofern keine Ausnahmeregelung greift, die eine Verwendung ohne Zustimmung der Urheber:innen gestattet. Die Urheber:innen sollen dem Grunde nach möglichst umfassende Befugnisse erhalten, sodass jede Nutzung ihrer Werke ihrer Kontrolle unterliegt.1
Gleichzeitig ist das Urheberrecht aber wie das Recht am Sacheigentum ein sozialgebundenes Recht und findet daher seine Grenzen an den überwiegenden Bedürfnissen der Allgemeinheit.2 Zu den schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit zählen auch die Freiheit der Wissenschaft und Forschung, die Informationsfreiheit, das Kulturstaatsprinzip und die Bildung.3 Im Urheberrechtsgesetz sind daher einzelne Ausnahmen vorgesehen, nach denen zugunsten der Belange der Allgemeinheit ein urheberrechtlich geschütztes Werk auch ohne die Zustimmung der Urheber:innen genutzt werden darf (siehe zu den Ausnahmeregelungen im Bereich der Wissenschaft unten, Kapitel 6.)
Wird beispielsweise ein urheberrechtlich geschützter Videoclip in ein Videoessay integriert und der Essay anschließend veröffentlicht, so greift dies zunächst in die Verwertungsrechte der Urheber:innen in Bezug auf den Videoclip ein. Grundsätzlich ist für diese Handlung eine Lizenz nötig. Allerdings kann der Videoclip unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Lizenz verwendet werden, wenn etwa die Voraussetzungen des Zitatrechts erfüllt sind. Das Zitatrecht ermöglicht eine zustimmungs- und vergütungsfreie Nutzung des Werks.
Andere Ausnahmeregelungen ermöglichen eine Nutzung ohne Zustimmung der Urheber:innen, lösen allerdings einen Vergütungsanspruch aus. Da die Ausnahmeregelungen das Recht der Urheber:innen, über die Nutzung ihres Werkes allein zu bestimmen, beschränken, werden sie im Urheberrecht traditionell „Schrankenregelungen“ genannt. Aus Sicht der Wissenschaft eröffnen die Schrankenregelungen Nutzungsmöglichkeiten: Sie erlauben, was sonst ohne Zustimmung der Rechteinhaber:innen verboten ist. Der deutsche Gesetzgeber hat die Reform zur Angleichung des Urheberrechts an die Erfordernisse der Wissensgesellschaft 2017 wie auch die Umsetzung der DSM-Richtlinie 2021 genutzt, dem auch sprachlich Rechnung zu tragen. Er hat nunmehr diese Bestimmungen als „gesetzliche Erlaubnisse“ bezeichnet und den missverständlichen Begriff der Schranken ergänzt. Gleichwohl ist die traditionelle Bezeichnung der gesetzlichen Erlaubnisse als „Schranken“ immer noch verbreitet.
1 Begründung des Regierungsentwurfs zum Urheberrechtsgesetz, BT-Drucks. IV/270, 1962, S. 28.
2 Begründung des Regierungsentwurfs zum Urheberrechtsgesetz, BT-Drucks. IV/270, 1962, S. 62.
3 Siehe eingehend de la Durantaye, Katharina: Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke, 2014, S. 67 ff.