2.10. Öffnung der Quellenbestände osmanischer Kunstmusik und ihrer Komponisten und Lyriker via Datenmapping

Das Langzeitforschungsprojekt Corpus Musicae Ottomanicae (CMO) der Universität Münster arbeitet im Rahmen einer digitalen Edition osmanische Musikhandschriften auf, die erstmalig in größerem Umfang in der Hampartsum-Notation geschrieben sind. Diese wurde von einem armenisch-osmanischen Musiker um 1812 entwickelt und fand bis in das 20. Jahrhundert Verwendung, während ab den 1830er Jahren auch die westliche Notation Einzug erhielt. Nach der Entwicklung eines geeigneten Transkriptionsmodells und Edition von Quellen in Hampartsum-Notation liegt der Fokus derzeit auf der Edition von Manuskripten in der osmanischen Variante westlicher Liniennotation, mit Frühjahr 2025 beginnt die Katalogisierung griechischer Musikhandschriften mit osmanischer Kunstmusik in byzantinischen Neumen. Der Manuskriptbestand in allen Notationsformen und seine Erschließung im CMO-Quellenkatalog ist von nicht zu überschätzender Bedeutung für die Überlieferung einer Kunstmusikkultur des Vorderen Orients und des östlichen Mittelmeerraums.

Aktuell finden sich im CMO-Quellenkatalog über 190 Handschriften und Drucke, über 11.200 einzelne Musikstücke und über 620 Komponisten und Lyriker dieser Stücke. Die Datenrecherche und -eingabe sowie die Weiterentwicklung und Koordination des CMO-Quellenkatalogs erfolgt am Orient-Institut Istanbul (OII). Die Betreuung des Projekts in den Digital Humanities wird durch die Max Weber Stiftung (MWS) vorgenommen.

Um die Werke und ihre Komponisten / Lyriker besser auffindbar und verfügbar zu machen, sollen die von CMO generierten Daten über MARC21-Exporte auf die Formate anderer Datenbanken und Repositorien gemappt werden. Damit sollen nicht nur nationale wie internationale Datenbestände bespielt werden, sondern auch größere Nutzergruppen angesprochen werden. Die Einspielung in diese Datenbanken erleichtert auch die weitere Interoperabilität der Daten.

Das CMO-Projekt kooperiert seit März 2016 mit dem Répertoire International des Sources Musicales (RISM) und hat für alle Manuskriptstandorte RISM-Bibliothekssigel entwickelt, die im RISM-Online-Katalog recherchierbar sind. Zielsetzung war die Übernahme aller einzelnen Musikstücke und Quellen sowie der Musiker. In Zusammenarbeit mit der GND-Agentur Text+ an der SUB Göttingen sollte eine Einspielung der Personendaten in die Gemeinsame Normdatei (GND) vorgenommen werden.

Kick-off-Workshop

Am 14.–15. März 2024 fand am Orient-Institut Istanbul ein Kick-off-Workshop mit allen beteiligten Stakeholdern statt, bei dem die Ziele der Zusammenarbeit, die Workflows und die technischen sowie konzeptionellen Grundlagen für das Datenmapping diskutiert wurden. Die einzelnen Arbeitspakete wurden in stakeholderzentrierten Arbeitsgruppen aufgeteilt und unter Koordination der MWS erstellt.

Am Workshop nahmen – in Person oder virtuell – teil:

  • Volker Adam (UB Halle / FID Nahost)
  • Susanne Al-Eryani (SUB Göttingen / GND-Agentur Text+)
  • Salih Demirtaş (Orient-Institut Istanbul)
  • Jürgen Diet (Bayrische Staatsbibliothek / musiconn)
  • Sven Gronemeyer (Max Weber Stiftung)
  • Andrew Hankinson (RISM Digital Center)
  • Zeynep Helvacı (Universität Münster)
  • Ralf Martin Jäger (Universität Münster)
  • Christian Kämpf (SLUB Dresden / musiconn)
  • Astrid Menz (Orient-Institut Istanbul)
  • Christoph Neumann (Orient-Institut Istanbul)
  • Kathleen Neumann (VBZ-GBV)
  • Laurent Pugin (RISM Digital Center)
  • Nanette Rißler-Pipka (Max Weber Stiftung)
  • Uwe Sikora (SUB Göttingen / GND-Agentur Text+)
  • Will Summits (Orient-Institut Istanbul)
  • Nihan Tahtaişleyen (Orient-Institut Istanbul)
  • Jennifer Ward (RISM Zentralredaktion)

Dieser Workshop, das Datenmapping und das Zusammenbringen der Stakeholder sind auch das Ergebnis bzw. die Folge eines interkonsortialen Vernetzungsworkshops, der mit dem Preisgeld des 1. NFDI4Culture Music Award vom 5.–6. Juni 2023 in der Geschäftsstelle der MWS ausgerichtet wurde.

RISM Online

Für Datenkonversion für den Katalog von RISM Online wurde zuerst ein konzeptionelles Mapping erstellt, welches die sehr detaillierten Angaben im Quellenkatalog entsprechend auf die MARC21-Datenfelder in RISM übersetzt. Hier ergaben sich besonders zwei Herausforderungen:

  • CMO pflegt aufgrund der primär oralen Transmission des osmanischen Repertoires einen anderen Werksbegriff als die klassische, europäische Musik. Ein Musikstück kann also vielfache individuelle Ausprägungen erhalten, die entsprechend kodifiziert wurden. Dieser „Werk-Cluster“ wurde insofern aufgebrochen, als dass es sich in RISM Online um eigenständige Stücke aus verschiedenen Quellen handelt.
  • Bei den Personen listet CMO Namensvarianten gemäß der überliefernden Quelle mit Nachweis, ebenso teils differierende Lebensdaten. Bei diesen Angaben kann es durchaus beträchtliche Abweichungen geben, Namensbestandteile wie Titel oder Epitheta können bis zur Einführung des Familiennamensgesetzes der Türkischen Republik 1935 stark variieren. Diese Varianten müssen untereinander abgeglichen und die teils vagen Lebensdaten aus unterschiedlichen Kalendern den in RISM Online verwendeten Konventionen angeglichen werden.

Die Datenkonversion von CMO in MARC-XML wurde durch die für den Quellenkatalog verantwortliche Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) bereitgestellt und orientiert sich an den Ergebnissen des konzeptionellen Mappings. Von Seiten des RISM Digital Center in Bern und der RISM-Zentralredaktion in Frankfurt wurden die Daten einer Validierung und einem technischen Mapping für die Katalogisierungssoftware Muscat unterzogen und dann in einzelnen Paketen in RISM Online eingespielt. Die Datenübergabe durch CMO fand im November 2024 statt.

Zum Berichtszeitpunkt Mai 2025 sind mit Ausnahme von etwa 25 Datensätzen alle Personendaten aus dem CMO-Katalog bei RISM Online verfügbar. Die Daten wurden mit Informationen so angereichert, dass immer ein Backlink zum Quellenkatalog gegeben ist. Ferner wird CMO als beitragende Institution mit eigener ISIL geführt. Aktuell durchlaufen die Datensätze eine weitere Korrekturschleife zur Verbesserung der Datenqualität. Für Werke und Quellen ist das technische Mapping fast abgeschlossen.

Die in RISM Online eingepflegten Datenbestände können wiederum über eine API in JSON, MARC-XML und Turtle exportiert werden.

GND

Im April 2023 wurde das an der SUB Göttingen entwickelte entityXML als Konzeptstudie für ein flexibles Speicher- und Austauschformat für die GND vorgestellt. Auch hierfür wurde ein konzeptionelles und technisches Mapping erarbeitet. Die Personendaten wurden als ein Merge aller Datensätze in ihrer Datenmodellierung in MEI in entityXML konvertiert und daraus ein MARC-XML-Datensatz für die GND erstellt. Die Übergabe der Daten durch die GND-Agentur Text+ erfolgte im August 2024.

Zum Berichtszeitpunkt liegen die Daten beim für die GND zuständigen FID Nahost an der UB Halle zur Qualitätskontrolle. Auf den Ergebnissen dieser Evaluierung basierend setzt das Katalogteam am OII die gemachten Empfehlungen zur Datenqualität um, die sich vor allem aus dem Komplex der Namensvarianten ergeben. Sobald dieser Check abgeschlossen ist, wird ein weiteres entityXML zur finalen Einspeisung in die GND übermittelt.

Die Datensätze in der GND können wiederum in MARC-XML und Turtle exportiert werden.

Datenpflege

Mit den erarbeiteten Workflows ist es möglich, aktualisierte Datenbestände im CMO-Quellenkatalog an die Zielrepositorien weiterzugeben. Da die in RISM Online bereitgestellten Daten eine reine, im Umfang reduzierte, Spiegelung des Quellenkataloges ist, können hier bestehende Daten überschrieben und neue ergänzt werden. Da die GND selber redaktionell in ihre Daten eingreifen kann, werden hier einmal jährlich unter Abgleich eines Zeitstempels nur neue Datensätze aus dem Quellenkatalog zur Prüfung vorgelegt und eingepflegt. CMO kann diese Aufgaben aufgrund der im Umfang dieser Fördermaßnahme etablierten Workflows in Zukunft kostenneutral auf die Zielsysteme durchführen.

Perspektivisch sollen nach der Einpflegung der Daten in RISM Online diese auch verwendet werden, um musiconn, das Portal des FID Musikwissenschaften, zu bespielen. In einem späteren Schritt sollen dann auch die einzelnen Stücke, soweit in MEI digital ediert, mit der Incipit-Suche verbunden werden.

Sven Gronemeyer, Ralf Martin Jäger und Michael Kaiser