Ein wissenschaftlicher Vortrag ist in der Regel selbst als Sprachwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt. Die Nutzung der Aufzeichnung des Vortrags muss deshalb grundsätzlich lizenziert werden. Zu beachten sind auch die Rechte der Filmhersteller:innen (§ 94 UrhG) an der Aufzeichnung selbst. Vortragende und Filmhersteller:innen sollten sich im Vorfeld über die weitere Nutzung und Lizenzierung einigen.
Für die Spielregeln bei der Verbreitung und Nutzung der Vortragsaufzeichnung gibt es sehr unterschiedliche Lizenzmöglichkeiten. Gibt man keine Lizenz an, bleibt es bei dem gesetzlichen „Alle Rechte vorbehalten“. Will man bestimmte Nutzungen der Videoaufzeichnung erlauben, geben die Creative-Commons-Lizenzen einen mittlerweile gut etablierten Rahmen vor und stellen verschiedene Lizenz-Elemente (oder Bausteine) zur Verfügung, die sich kombinieren lassen. Das BY-Element schreibt die Nennung der Urheber:innen vor. Der Baustein NC (non-commercial) bedeutet, dass nur eine nichtkommerzielle Nutzung erlaubt ist. Dieses Lizenzelement widerspricht einem Upload auf Youtube oder ähnlichen Plattformen, da NC die Nutzung für Werbezwecke ausschließt. Der Baustein ND (no derivatives) bedeutet, dass das Werk nicht bearbeitet werden darf. Dieses Lizenzelement würde deshalb verhindern, dass Ausschnitte aus der Videoaufzeichnung entnommen und weiter verbreitet werden dürfen. Ebenfalls ausgeschlossen wären automatisierte Bearbeitungen wie die Transkription. Demgegenüber erlaubt das Share-Alike-Element SA, dass Bearbeitungen gemacht werden, stellt dies aber unter die Bedingung, dass diese Bearbeitungen unter der gleichen Lizenz verfügbar gemacht werden wie das bearbeitete Werk.
Eventuell gibt es – z. B. von der eigenen Institution, den Organisator:innen der Tagung oder Geldgebern – Vorgaben, welche CC-Lizenz verwendet werden soll. Dies sollten die Vortragenden berücksichtigen. Die Einwilligungen der Videoportale bieten sehr unterschiedliche Optionen.
Ein besonderes Problem besteht, wenn im Vortrag auf seinerseits rechtlich geschütztes Material Bezug genommen wird, da die Veröffentlichung des Vortrags dann automatisch auch eine Veröffentlichung des im Vortrag präsentierten Materials darstellt. Das können beispielsweise noch urheberrechtlich geschützte Werke sein wie Kunstwerke, Tonausschnitte oder Standbilder aus Filmen. Dazu können eigene Rechte von Verwerter:innen kommen wie Fotograf:innenrechte, Verlagsrechte oder andere Produzentenrechte etwa von Filmfirmen oder DVD-Hersteller:innen.
Wenn im Vortrag auf solches Material inhaltlich begründet und ausführlich genug eingegangen wird, kann das als Ausübung des Zitatrechtes (§ 51 UrhG) legitim sein. Falls allerdings für die Wiedergabe geschützter Inhalte im Internet weder die Zitatschranke noch eine entsprechende Lizenz in Frage kommt, sollte die Darstellung hier unterbleiben. Konkret können Abbildungen geschwärzt oder verpixelt werden, oder das Videomaterial wird entsprechend geschnitten. Wenn von einem Vortrag die Präsentation von dem Vortrag entkoppelt publiziert wird, wird in der Regel der Zitatzusammenhang, der sich ja erst aus der Tonspur des Vortrags ergibt, entfallen.
Kein Ausweg dürfte es sein, sich bei der Veröffentlichung eines Vortrags auf § 60c UrhG zu berufen. Die Vorschrift erlaubt die Verbreitung von bis zu 15% eines Werkes, bei Bildern auch ganzer Werke für die nicht-kommerzielle wissenschaftliche Forschung, allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: Nicht erlaubt ist es (Abs. 4), „während öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes diese auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen und später öffentlich zugänglich zu machen.“ Was also im Vortrag zu zeigen erlaubt ist, darf nicht automatisch aufgezeichnet und online gestellt werden.
Achtung: Auch im Vortrag verwendetes Material ist eventuell von einer CC-Lizenz erfasst. Diese Lizenzen setzen nicht die erwähnten Schranken des Urheberrechts (z. B. das Zitatrecht) außer Kraft. Die CC-Lizenzen sind aber bei einer Nutzung zu beachten, die nicht von einer urheberrechtlichen Schranke gedeckt ist, etwa bei Verwendung eines Fotos als dekorativem Hintergrundbild.
Das 2021 eingeführte Urheberrechts-Diensteanbietergesetz (UrhDaG) regelt urheberrechtliche Besonderheiten auf kommerziellen Internetplattformen. Davon kann auch das Hosting von Vortragsvideos betroffen sein. Bestätigt wird die Zulässigkeit von Zitaten für die „öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken durch den Nutzer eines Diensteanbieters“ (§ 5 Abs. 1 UrhDaG). Auch auf andere Schranken können sich Nutzer von Internetplattformen berufen, sofern ihre jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich stellt es deshalb aus Nutzersicht keinen Unterschied dar, dass Werke online auf Internetplattformen genutzt werden. Sie sind ein Fall der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19a UrhG.
Für Rechteinhaber sind allerdings Blockiermöglichkeiten vorgesehen, die im Einzelfall angemeldet (§ 8 UrhDaG) oder automatisiert vorgenommen werden (sog. Uploadfilter, § 7 UrhDaG). Es sind im UrhDaG interne und externe freiwillige Beschwerdeverfahren vorgesehen, um diesbezügliche Streitigkeiten zu lösen. Hier muss der Nutzer unter Umständen erlaubte Nutzungen von geschützten Werken auch als erlaubt markieren (§ 11 UrhDaG). Dies umfasst, soweit ersichtlich, (leider) nicht die Kennzeichnung einer Nutzung als gemeinfrei oder vertraglich erlaubt.
Das UrhDaG gilt nicht für „nicht gewinnorientierte bildungsbezogene oder wissenschaftliche Repositorien“ (§ 3 Nr. 2 UrhDaG), also beispielsweise das AV-Portal der TIB Hannover oder ähnliche Repositorien. Es ist aber anzuwenden, wenn Videos z. B. bei Youtube, Vimeo oder ähnlichen Plattformen hochgeladen werden sollen.
Oft wird in den Vereinbarungen die Haftung für urheberrechtliche Verstöße auf die einzelnen Wissenschaftler:innen abgewälzt, die Veranstalter:innen und Filehoster von der Haftung freistellen. Hier sollte keine allumfassende Garantiehaftung übernommen werden, sondern nur eine verschuldensabhängige Haftung. Dies setzt allerdings voraus, dass sich Vortragende und Nutzer:innen ein gemeinsames Bild über die bestehenden Rechte und eventuelle Restrisiken an dem zu publizierenden Material gemacht haben. Dies wird bei Vorträgen in der Regel eingebettetes, geschütztes Material betreffen.
Einwilligungen in die Datenverarbeitung und offene Lizenzen können einander nicht ersetzen. Sie lassen sich aber auch nicht isoliert voneinander verstehen. Am besten sollten sie im Einklang miteinander stehen. Beispielhaft: Wer einen Vortrag mit einer CC-BY-Lizenz online stellen lässt, geht lizenzrechtlich davon aus, dass diese Aufzeichnung ver- und bearbeitet werden darf und ihren Weg auch in andere Plattformen als die ursprüngliche findet. Dieses Szenario sollte in den datenschutzrechtlichen Vereinbarungen entsprechend berücksichtigt werden.