1. Datenschutzrecht

Zur Erläuterung der datenschutzrechtlichen Aspekte wird sich der folgenden Beispiele bedient, die zwei unterschiedliche Konstellationen eröffnen: Beispiel 1 bildet die unmittelbare Bindung zwischen Forscher:in und Video-Dienstleister:innen ab. Beispiel 2 bindet eine vermittelnde Stelle ein und wird im Verlauf der Handreichung zeigen, dass die vermittelnde Instanz nur einen Teil der Verpflichtungen auffangen kann.

Beispiel 1: Individuelle Forschung

Eine Forscher:in lädt den eigenen Vortrag auf YouTube hoch. Obwohl die Videoplattform ein Schriftstück über eine Auftragsverarbeitung anbietet, sind beide für die verarbeiteten Daten gemeinsam verantwortlich. Dabei werden nicht nur die Daten im Video verarbeitet, sondern auch die Nutzungsdaten der Zuschauer:innen durch sog. Parametrisierung. Die Forscher:in ist damit unmittelbar datenschutzrechtlich Verantwortliche im Rahmen des eigenen YouTube-Kanals.

Beispiel 2: Konsortiale Forschung

Die Forscher:in wendet sich an ein Forschungskonsortium, das einen Kanal auf einem unabhängigen Video-Portal betreibt. Datenschutzrechtlich verantwortlich ist die Forscher:in nicht für den Kanal oder die Statistiken des Videos. Dies obliegt allein dem Forschungskonsortium als Gruppe gemeinsam Verantwortlicher. Hier besteht die gemeinsame Verantwortlichkeit u. a. darin, welche Parameter im Hintergrund des Kanals eingesehen werden können oder welches unabhängige Portal genutzt wird. Für diesen Fall sollten die Einzelheiten aber in einer Vereinbarung zwischen Video-Portal und Forschungskonsortium festgehalten werden.

Die datenschutzrechtliche Aufklärung ist in den genannten Beispielen nötig, weil es sich bei den Informationen zu den Teilnehmer:innen oder Vortragenden um personenbezogene Daten handelt. Weitere ergeben sich ggf. aus dem Vortragsinhalt, z. B. wenn über die Vita gesprochen wird.

Eine ausführliche Langfassung inklusive detaillierter juristischer Ausführungen ist auf Zenodo verfügbar.

Abstimmen von Vereinbarungsdokument und Webangebot

Grundlage für die Aufzeichnung und digitale Verwertung einer Konferenz oder sonstigen Veranstaltung ist die rechtliche Absicherung der Aufzeichnungen der Konferenzteilnehmer:innen. Die Datenschutzvereinbarung zur Veranstaltung und die der Webseite bzw. des Video-Portals müssen deshalb inhaltlich aufeinander abgestimmt sein. Konferenzteilnehmer:innen müssen darüber informiert werden, wo und wie die Aufzeichnungen verwertet werden. Bei der Auswahl lohnt sich daher eine datenschutzfreundliche Plattform, um verständlicher und in geringerem Umfang informieren zu können. Dies bedeutet z. B., dass die getroffenen technischen/organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nutzer:innen und des Angebots auf dem aktuellen Stand sein müssen. Anforderungen an Plugins zur Reichweitenmessung oder Marketing-Tools sollten dabei auf ein Minimum reduziert werden.

Allgemeine Hinweise zu Datenschutzerklärungen

Nachfolgend wird auf die jeweiligen, zu beachtenden Punkte eingegangen. Dabei geht der Abschnitt davon aus, dass es sich um Aufzeichnungen mit wissenschaftlichen Inhalten (z. B. Konferenzvideos, Panel-Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen) handelt.

Eine Vorbemerkung zur Form der Erklärung: Der datenschutzrechtliche Teil muss sichtbar vom urheberrechtlichen bzw. lizenzrechtlichen Teil abgegrenzt sein. Entweder geschieht dies über zwei einzelne Dokumente mit unterschiedlicher Übertitelung oder ein gemeinsames Dokument, das durch Trennungszeichen die Änderung des Erklärungsinhaltes erkennen lässt – z. B. Trennstrich, Überschrift, etc. Wichtig ist, dass mit einer Unterschrift nicht gleichzeitig zwei unterschiedliche rechtliche Zwecke bzw. Grundlagen akzeptiert werden. Es muss möglich sein, den Lizenzbedingungen auch ohne eine Datenverarbeitung über den Lizenzvertrags hinaus zustimmen zu können. Beispielsweise kann die Forscher:in ein Interesse an der Aufzeichnung und internen Verwendung haben, widerspricht aber einem Upload auf YouTube. Kurz: Eine Aufzeichnung muss auch ohne den Upload möglich sein.

Was sind wissenschaftliche Inhalte?

Wissenschaftliche Inhalte sind alle Inhalte, die sich mit dem Forschungsprozess, Zwischenergebnissen oder dem Ergebnis selbst auseinandersetzen. Inhaltlich kann sich dies sowohl auf Forschungsthemen als auch auf die Lehre beziehen. Videos mit wissenschaftlichen Inhalten stellen daher, ähnlich wie die Lehre, eine Kommunikation über Methoden, (Teil-)Ergebnisse oder den Prozess selbst dar. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie auf einen „work in progress“ zurückgreifen oder unter Bezug auf den Forschungsprozess selbst das Ergebnis (z. B. Thesen, empirische Befunde, etc.) näher erläutern.

Verantwortliche Stellen und andere Beteiligte

Zu unterscheiden ist, in welchem (rechtlichen) Verhältnis die einzelnen Beteiligten zueinander stehen:

  • Forscher:in und Video-Portal schließen direkt eine Vereinbarung miteinander (Beispiel 1) oder
  • zwischen Forscher:in und Video-Portal ist noch eine Forschungsinstitution als archivierende oder kuratierende Institution eingesetzt; sie fungiert gewissermaßen als vermittelnde Stelle (Beispiel 2).

Im direkten Verhältnis zwischen Forscher:in und Video-Portal (Beispiel 1) sind die vertraglichen Vereinbarungen maßgebend. Beide sind gemeinsam für die Verarbeitung verantwortlich. Für die Forscher:in heißt dies, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Datenschutzerklärung auf ihre Datenschutzfreundlichkeit hin zu überprüfen sind.

Das Mittler-Verhältnis (Beispiel 2) aus Forscher:in, Mittlerin (z. B. Forschungskonsortium) und Video-Portal ist da komplexer: Hier besteht die Lizenzvereinbarung sowie die Datenschutz-Vereinbarung nur zwischen Forscher:in und Mittlerin. Die Forscher:in gibt hier nur Rechte ab und ist je nach Beitrag zur Veranstaltung für die Verarbeitung der Daten (z. B. Veröffentlichung von Datensätzen im Zusammenhang mit dem Vortrag) verantwortlich; hier gilt das zum Beispiel 1 Gesagte. Forscher:innen müssen in dieser Situation aber nicht die ganze Verarbeitungskette überprüfen. Die Mittlerin muss über die eigene Verarbeitung sowie jene der Video-Plattform informieren. Für das Verhältnis zwischen Video-Portal und Mittlerin empfiehlt sich ein Schriftstück mit den jeweiligen Rechten und Pflichten, da die allgemeinen Nutzungsbedingungen von Video-Plattformen dies regelmäßig nicht abdecken. Als Vorbild kann hierfür der Mustervertrag von KonsortSWD dienen.

Verarbeitungsgrundlagen

Für eine datenschutzkonforme Verarbeitung braucht es in beiden Beispielen eine Verarbeitungsgrundlage nach DSGVO. Zum Verständnis wird kurz in drei relevante Gründe eingeführt – namentlich die Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a, 7 DSGVO), das Vertragsverhältnis mit der Plattform (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) und das berechtigte Interesse der verarbeitenden Institutionen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO). Spezielle Interessen aus dem Archivrecht werden ausgeklammert.

Informationspflichten gem. Art. 13 und 14 DSGVO

Zu jeder Datenverarbeitung gehört eine Information der (betroffenen) Person, deren Daten verarbeitet werden. Zu unterscheiden ist stets dazwischen, ob die Daten bei der Person selbst (z. B. durch Eingaben der Person) oder über Dritte (z. B. die Konferenz-Leitung) erhoben werden. Eine Informationspflicht ist damit stets gegeben, jedoch existieren für jede Variante auch Ausnahmen. In der Darreichungsform ist die verarbeitende Stelle frei (z. B. Datenschutzerklärung).

Für die Situation, in der die Daten bzw. Informationen direkt bei der Redner:in bzw. Teilnehmer:in erhoben werden, sind die in Art. 13 DSGVO genannten Informationen zu vermitteln.

Erfolgt die Erhebung der Informationen über die Redner:in bzw. Teilnehmer:in indirekt über Dritte kommt der Katalog des Art. 14 DSGVO zur Geltung. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn die Video-Plattform durch das Forschungskonsortium Informationen über die Redner:in erhält.

Automatisierte Verfahren und Besonderheiten des Art. 22 DSGVO

Je nachdem, ob und wie die Konferenzvideos im Nachhinein aufbereitet werden sollen, können besondere Gründe für eine Verarbeitung in Betracht kommen. Werden beispielsweise vollständig automatisiert agierende Machine-Learning-Algorithmen zur Annotation und Analyse der Vortragsaufzeichnungen genutzt, könnte dies auf besondere Anforderungen des Art. 22 DSGVO hinweisen.

Eine Aufbereitung ist durch eine Vielzahl von Werkzeugen mit Machine Learning möglich. Die folgenden gängigen Methoden sind für Aufzeichnungen von Konferenzen relevant und sollten datenschutzrechtlich beachtet werden:

Hinweise zu Videoportalen außerhalb der EU – Art. 44 ff DSGVO

Auch für die Übermittlung der Videoaufzeichnungen an Videoportale (kurz: Upload) sind die verantwortlichen Stellen (z. B. aufzeichnende Person/Institution) verantwortlich und müssen das europäische Datenschutzniveau der DSGVO gewährleisten. Verlässt der Datensatz die EU – z. B. um das Video auf öffentlich zugänglichen Servern zu speichern – und wird in ein Drittland übertragen, müssen die Betroffenenrechte und die Grundsätze der DSGVO weiterhin gegeben werden. Drittland meint dabei jeden Staat, der nicht EU-Mitgliedsstaat ist. Die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen bilden hier die Ausnahme und sind wie EU-Staaten zu behandeln, da sie äquivalente Datenschutz-Regelungen getroffen haben. Bei Auswahl des Dienstleisters und/oder den Einstellungen im Hintergrund hat die verantwortliche Stelle also entsprechende Sorgfalt walten zu lassen.

Finden dadurch Verarbeitungen in einem Drittland statt, muss für das Drittland ein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission vorliegen. Fehlt es an einem solchen Beschluss, ist von einer Nutzung der Video-Plattform abzuraten. Das ist ebenso der Fall, wenn die Datenübermittlung bzw. der Upload auf Server im Raum USA erfolgt. Eine Angabe hierzu sollte die jeweilige Datenschutzerklärung enthalten. Ein Impressum bzw. ein Sitz des Unternehmens kann nur als Indiz gelten, entspricht aber oft nicht dem Speicherort bzw. Serverstandort.

➞ Checkliste zum Datenschutzrecht

Allgemeine Anforderungen

  • Plugins der Videoplattform datensparsam einstellen (z. B. Reichweitenmessung).
  • Die genutzte Videoplattform verfügt über Datenschutzerklärung.

Datenschutzerklärung und Information

  • Einbeziehen der Datenschutzerklärung der Videoplattform in der eigenen Erklärung, z. B. zur Verarbeitungstätigkeit
  • Benennen einer Rechtsgrundlage für die jeweils verarbeiteten Daten
    • Einwilligung
    • vertragliche Vereinbarung (z. B. Lehrauftrag)
    • berechtigtes Interesse (z. B. Verbreitung von Forschungsergebnissen)
  • Hinweis auf Verantwortlichkeit der vortragenden Forschenden für die Inhalte der Präsentation, insbes. enthaltene personenbezogene Daten (auch: Haftungsausschluss)
  • wenn vorhanden, Hinweise zu automatisierten Verarbeitungen, insbesondere
    • Auto-Segmentierung
    • Auto-Verschlagwortung
  • Verarbeitung der Daten außerhalb der EU: Angemessenheitsbeschluss vorhanden?

Zur schematischen Zusammenfassung der einzelnen datenschutzrechtlichen Aspekte sei auf den Entscheidungsbaum zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Videobeiträge verwiesen.