NFDI4Culture, das Konsortium für Forschungsdaten materieller und immaterieller Kulturgüter, hat die CARE-Prinzipien für indigene Datensouveränität für maßgeblich in seinem Arbeitsprogramm erklärt. Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es, bei den Mitwirkenden des Konsortiums ein gemeinsames Verständnis der Prinzipien zu schaffen und einen konsistenten und angemessenen Umgang damit zu befördern. Sie enthält zum einen eine Basis an Hintergrundwissen und zum anderen Empfehlungen dazu, wie wir Inhalte zu und über die CARE-Prinzipien kommunizieren.
Die CARE-Prinzipien wurden 2019 von der Global Indigenous Data Alliance mit dem Ziel veröffentlicht, die Beteiligung indigener Gruppen an Entscheidungsprozessen hinsichtlich Daten, die sie betreffen, zu stärken und deren Datensouveränität zu sichern. Gefordert wird die Mitbestimmung über die Erhebung, das Eigentum und die Verwendung von Daten; dabei geht es um Fragen der Macht und Kontrolle über Daten. Die vollständige Fassung der Prinzipien inklusive der jeweils drei Unteraspekte ist unter https://www.gida-global.org/care zu finden; hier seien die Hauptprinzipien aufgeführt:
Collective Benefit (Kollektiver Nutzen): Datenökosysteme müssen so konzipiert sein und funktionieren, dass indigene Gruppen einen Nutzen aus den Daten ziehen können.
Authority to Control (Kontrolle): Die Rechte und Interessen indigener Gruppen in Bezug auf indigene Daten müssen anerkannt und ihre Befugnisse zur Kontrolle dieser Daten gestärkt werden. Indigene Gruppen müssen selbst bestimmen können, wie sie selbst sowie indigenes Land, Territorien, Ressourcen, Wissen und geografische Indikatoren in Daten repräsentiert und identifiziert werden.
Responsibility (Verantwortung): Diejenigen, die mit indigenen Daten arbeiten, tragen Verantwortung dafür, mitzuteilen, wie die Verwendung dieser Daten die Selbstbestimmung und den kollektiven Nutzen der indigenen Communities unterstützt. Es ist ein aussagekräftiger und offen zugänglicher Nachweis dieser Bemühungen und des Nutzens, der den indigenen Gruppen erwächst, zu erbringen.
Ethics (Ethik): Die Rechte und das Wohlergehen indigener Gruppen sollten in allen Phasen des Datenlebenszyklus und im gesamten Datenökosystem im Vordergrund stehen.
Im Unterschied zu den FAIR-Prinzipien beziehen sich die CARE-Prinzipien auf eine Haltung und erfordern die Einbeziehung von Menschen. Sie geben keine technischen Anforderungen vor.
Juristisch sind die Prinzipien per se nicht bindend. Sie ergeben sich nicht aus den Hochschulgesetzen der Länder, einer EU-Regulierung zu Forschungsdaten oder sonstigen Normen im FDM-Bereich. Aus diesen Regelungen lässt sich aber erkennen, dass die Forschenden selbst in Bezug auf ihre Arbeit zu einer ethischen Reflexion angehalten sind. Sie sollen idealerweise Folgen berücksichtigen, die sich aus der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ergeben können. Dieser Gedanke ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 1. März 1978 – Hessisches Hochschulgesetz) in verschiedenen Variationen in die jeweiligen Landeshochschulgesetze gelangt. Die jeweilige Ausgestaltung ist aber recht unterschiedlich: Einige Länder setzen eine Ethikkommission voraus (Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein u. a.) und ergänzen die Eigenverantwortlichkeit der Forschenden, andere Länder (Bayern) lassen eine Eigenverantwortlichkeit gänzlich aus. In der Außenwirkung macht dies allerdings keinen Unterschied, da alle Forschungsinstitutionen mit einem Interesse an einem DFG-Antrag faktisch zu einer ethisch konformen Ausrichtung der eigenen Forschung angehalten werden. Die Mitteilung der DFG vom 22.12.2022 verstärkt die Verpflichtung, bei der eigenen Forschungstätigkeit den überarbeiteten Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ zu berücksichtigen. Entsprechend den Hinweisen zur Umsetzung der Leitlinien waren diese beiden Institutionen durch eigene, interne Vereinbarungen umzusetzen bzw. ihre Umsetzung im Forschungsbetrieb bis 31. Juli 2023 abzusichern. Diese Leitlinien verlangen auch in ethischer Hinsicht eine gute wissenschaftliche Praxis, indem sie mit Leitlinie 10 fordern: „[Forscher:innen] berücksichtigen Rechte und Pflichten, insbesondere solche, die sich aus gesetzlichen Vorgaben, aber auch aus Verträgen mit Dritten resultieren, und holen, sofern erforderlich, Genehmigungen und Ethikvoten ein.“ Auch eine Forschungsfolgenabschätzung wird benannt. Das bedeutet, dass auch wir als Mitarbeitende des Konsortiums NFDI4Culture an die Auseinandersetzung mit ethischen Grundsätzen gebunden sind.
Nachfolgend findet sich eine Auflistung bisheriger Best Practices im Umgang mit indigenen Communities, die jedoch nicht als vollständig zu verstehen ist. Alle Maßnahmen setzen Zeit und Ressourcen voraus, die in jeweils auf den Einzelfall angepasste Lösungen investiert werden, um die individuellen marginalisierten Interessen zu berücksichtigen. Diese Liste ist fortwährend und in Zusammenarbeit mit Expert:innen, bevorzugt mit solchen aus der betreffenden indigenen Gruppe, zu aktualisieren.
Best Practices für CARE-Maßnahmen:
Faustregel: Geht es im konkreten Fall um indigene Kontexte und daraus resultierende ungleiche Machtverhältnisse? Nur dann ist von der Anwendung der CARE-Prinzipien die Rede und dies sollte konkret benannt werden. In Fällen, in denen es sich (nur) um generelle ethische Aspekte handelt, sprechen wir von „Datenethik“. Für diese sind die Leitlinien der guten wissenschaftlichen Praxis ebenso relevant. Themen der Datenethik sind dann immer in ihrem Kontext zu spezifizieren; es gibt keine allgemeingültige Datenethik.
Formulierungsmöglichkeiten in Texten, die den Kontext deutlich machen, sind beispielsweise:
Die FAIR-Prinzipien und die CARE-Prinzipien für indigene Data Governance sind sehr unterschiedliche Rahmen. Während sich die FAIR-Prinzipien auf technische Anforderungen beziehen, geht es bei den CARE-Prinzipien um eine Haltung in Bezug auf die Darstellung indigener Kontexte in Daten. Eine vereinfachte Nebeneinanderstellung oder Zusammenfassung wie „FAIR/CARE-Begriff“, „FAIR und CARE“ etc. ist daher zu vermeiden.
Bei der Auswahl von Medien, z. B. als Begleitmaterial zu Texten, ist auf eine angemessene Darstellung der Personen und Kontexte zu achten. Sollten indigene Gruppen abgebildet sein, ist vor der Veröffentlichung des Textes die Quellenlage und die CARE-Konformität zu prüfen. Beispielsweise sollte die jeweilige Bildquelle darauf überprüft werden, ob bei der Veröffentlichung die indigene Gruppe beteiligt war und/oder das Medium selbst veröffentlicht hat. Je nach Nutzungzweck und insbesondere bei hoher Reichweite in sozialen Medien sollten Kontaktstellen als Vertretung indigener Communities ebenso gefragt werden, ob sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind. Wenn dies nicht möglich ist, ist von einer Verwendung/Veröffentlichung im Zweifel abzusehen.